Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie
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Psychiatrie Verlag

Phasenprophylaktika

Diese kleine Gruppe von Psychopharmaka wird vor allem eingesetzt, um affektiven (manischen und depressiven) "Phasen" vorzubeugen, daher der etwas sperrige Name. Sie werden manchmal auch als "Stimmungsstabilisierer" bezeichnet; damit ist die Erwartung verbunden, dass sie auch anderen extremen Stimmungslagen vorbeugen, zum Beispiel überschießender Aggressivität. Das ist allerdings nicht gut untersucht und in der Praxis auch oft nicht zu erkennen.

Zur Vorbeugung

Die Vorbeugung gegen manische und depressive Phasen betrifft neben den bipolaren ("manisch-depressiven") Störungenauch wiederkehrende Depressionen und schizoaffektive Psychosen. Darüber hinaus wirken Phasenprophylaktika auch antimanisch, d. h. sie eignen sich zur Behandlung akuter Manien. Zur Behandlung akuter Depressionen eignen sie sich dagegen – bis auf das wenig gebräuchliche Lamotrigin – nicht.

Eine medikamentöse Phasenprophylaxe wird in der Regel empfohlen, wenn man nach mehreren depressiven und/oder manischen Phasen annehmen muss, dass weitere ähnliche Zustände auftreten könnten.

Einstellung auf ein Phasenprophylaktikum

Die Einstellung auf ein Phasenprophylaktikum erfolgt üblicherweise unter Kontrolle der Konzentration in der Blutflüssigkeit ("Blutspiegel"). Ziel ist die Erreichung und Aufrechterhaltung eines Blutspiegels, von dem aus wissenschaftlichen Untersuchungen bekannt ist, dass er phasenprophylaktisch bzw. antimanisch wirksam ist. Dann kann man durch Vergleich mit den Monaten oder Jahren vor Beginn der Einnahme ermitteln, ob die gewünschte Vermeidung oder Abschwächung affektiver Phasen erreicht wird. Das gelingt in der Mehrzahl der Fälle.

Bei fehlender oder nicht ausreichender Wirkung gibt es weitere medikamentöse Strategien, zu denen auch der Wechsel auf ein anderes Phasenprophylaktikum oder die Kombination zweier Substanzen gehören. Es geht dann in aller Regel um eine mehrjährige, unter Umständen lebenslange Einstellung auf eine oder mehrere der nachfolgend genannten Substanzen. Ob eine solche vorbeugende Medikation noch erforderlich ist, sollte dann erst nach mehreren Jahren der Symptomfreiheit versucht werden, wobei ähnlich wie bei Neuroleptika ein schrittweises Vorgehen zuempfehlen ist, mit der Möglichkeit, jederzeit zur bewährten Dosis zurückzukehren.

Lithium

Das am längsten bekannte Phasenprophylaktikum ist Lithium (Hypnorex®, Quilonum®). Dieses chemische Element gilt nach wie vor als Standardmedikament zur Behandlung der Manie und zur Vorbeugung gegen Manie und Depression, ist allerdings kompliziert zu handhaben, weil die wirksame Dosierung nicht weit entfernt ist von beginnender Überdosierung – diese beginnt bereits beim Doppelten der therapeutisch gebotenen Menge. Die Behandlung mit Lithium erfordert darum ein besonders sorgfältiges Vorgehen mit allmählich steigenden Anfangsdosierungen, regelmäßigen Kontrollen der Konzentration in der Blutflüssigkeit ("Blutspiegel") und korrekter Einnahme.

Lithium-Patienten sollten ihren zuletzt gemessenen Spiegelwert und die wichtigsten Anzeichen einer Überdosierung kennen. Bei deren Auftreten sollte eine kurzfristige Laborkontrolle erfolgen. Solche Symptome sind zum Beispiel Übelkeit und Erbrechen, Durchfall, starkes Händezittern, allgemeine Abgeschlagenheit und Verlangsamung, Schwindel sowie Störungen des Sprechens und Gehens. In schweren Fällen kommen eine Übererregbarkeit und Steifheit der Muskulatur, Krampfanfälle und Bewusstseinstrübung hinzu.

Antiepileptika

In den letzten Jahrzehnten haben sich einige Medikamente zur Behandlung der Epilepsie auch als Phasenprophylaktika bewährt: Carbamazepin (Tegretal® u. a.), Oxcarbazepin(Trileptal®), Lamotrigin (Lamictal®) und Valproat (Ergenyl®,Orfiril®). Sie sind leichter handhabbar als Lithium, das allerdings in der vorbeugenden Wirkung am zuverlässigsten ist.

In der Regelwerden sie gut vertragen, können in seltenen Fällen aber auch ernste Nebenwirkungen haben, weswegen neben der Spiegelkontrolle weitere Überwachungen von Laborwerten erforderlich sind, insbesondere das sogenannte "Blutbild" (Anzahl derverschiedenen Blutzellen in der Blutflüssigkeit)

Literatur

  • Bandelow, B.; Bleich, S.; Kropp, S. (2012): HandbuchPsychopharmaka. Hogrefe Verlag, 3. Auflage.
  • Benkert, O.; Hippius, H. (2013): Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie. Springer Verlag, 9. Auflage.
  • Finzen, A.; Scherk, H.; Weinmann, S. (2017): Medikamentenbehandlung bei psychischen Störungen - Leitlinien für den psychiatrischen Alltag. Psychiatrie Verlag.
  • Weinmann, S (2012): Erfolgsmythos Psychopharmaka - Warum wir Medikamente in der Psychiatrie neu bewerten müssen (eBook). Psychiatrie Verlag.

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Letzte Aktualisierung: 05.04.2024