Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie
Dachverband Gemeindepsychiatrie
Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen
Psychiatrie Verlag

Chroniques fidèles ...

»Chroniques fidèles survenues au siècle dernier à l'hôpital psychiatrique Blida-Joinville, au temps où le Docteur Frantz Fanon était chef de la cinquième division entre 1953 et 1956«

So lautet der Titel eines Spielfilms von Abdenour Zahzah, mit dem fast alles gesagt ist. Frantz Fanon ist der Autor des berühmten Manifestes gegen den Kolonialismus »Die Verdammten dieser Erde«, erschienen 1961, im gleichen Monat, in dem er an Leukämie gestorben ist. Der in Martinique geborene Fanon war von Beruf Psychiater und lernte im französischen Saint Alban das Konzept der »Psychothérapie institutionelle« kennen. Der ruhige, in Schwarzweiß gedrehte Film beginnt mit der Aufnahme seiner Tätigkeit als Leiter der psychiatrischen Abteilung der Klinik Joinville-Blida in der Nähe von Algier in Algerien. Er trifft dort auf das typische Elend einer Anstalt: Die Patientinnen und Patienten sind eingesperrt oder gefesselt, sie schlurfen in Anstaltskleidung über das Gelände oder dämmern dahin. Viele von ihnen sind bereits seit Jahrzehnten interniert; Europäer und Algerier sind getrennt untergebracht. Die ärztlichen Kollegen und eine Kollegin begegnen Fanon mit Misstrauen. Er lässt sich nicht beirren. Ziemlich autoritär gibt er nun die sozialtherapeutische Richtung an und verweist auf seine Erfahrungen aus Frankreich. Er besteht darauf, dass in der Klinik ein Café etabliert wird; er verlangt einen Fußballplatz, kulturelle und kreative Angebote. Das größte Problem ist, dass Fanon kein Arabisch spricht. So ist er ganz auf die Übersetzungsarbeit der Wärter und Pfleger angewiesen. Mit der Hilfe von Assistenten schult er das Personal und vermittelt ihm seine Ideen und Ideale. Es funktioniert. Schon bald wird Fußball gespielt, gesungen, Ausflüge werden gemacht. Er verlangt, dass alle Lebensgeschichten eruiert und Angehörige gesucht werden, um Entlassungen abzuklären. Eine Patientin nimmt er als Hausangestellte in der Villa auf, die er gemeinsam mit seiner Frau Josie bewohnt. Eine Tagesklinik wird aufgebaut und zuletzt eine kleine forensische Ambulanz, in der er Straftäter begutachtet. Lediglich angedeutet werden seine politischen Aktivitäten: Er lässt Widerstandskämpfer in der Klinik verstecken und behandeln. Der Film endet etwas abrupt mit seiner Ausreise in den Untergrund – so abrupt, wie es wohl auch in seinem wirklichen Leben geschah.

Ilse Eichenbrenner in Soziale Psychiatrie

Letzte Aktualisierung: 01.05.2024